ceci n'est pas une blague
Markus Jakob
On Site – Madrider Aperçus

Fabelhaft, aus dem Flugzeug gesehen, wie die AVE-Trasse in weitem Bogen aus dem Hinterland nach Tarragona hinunter sich schwingt. Noch imposanter dann die neue Skyline Madrids. Später, als endlich die Sonne durchbrach, an der Plaza del Sol dieses Bild:

An Spaniens Km 0 entsteht ein weiterer grosser U- und S-Bahn-Knoten – überflüssigerweise, meinen einige, denn Madrids öffentliches Nahverkehrsnetz ist mit solchen unterirdischen Bahnhöfen schon reichlich gespickt. Das Baulos erstreckt sich auch auf die umliegenden Strassen. Über der für ihren Strassenstrich berühmten Calle Montera (unten links im Bild) schwebt nun drohlich ein enormes Zementsilo. Wie hier unlängst erwähnt, hat der katalanische Künstler Antoni Abad die Montera-Mädels technologisch so ausgerüstet, dass sie im Netz über ihre Lebensumstände berichten können. Ob sie auch die Endzeitstimmung in ihrem Revier schon eingefangen haben? Hier nochmals der betreffende Link.

Auch die klassische Calle Arenal wird gerade zur Fussgängerzone umgestaltet, mit einer rosa und grauen Kitschpflästerung, typisch für Madrids Strassengestaltung, wie man aus barcelonesischer Sicht hämisch anmerken kann.

Ich machte mich dann auf, einige möglichst erlesene Ausstellungen zu besuchen. Die spanischen Stillleben im Prado waren leider noch nicht eröffnet. Im Círculo de Bellas Artes: Henri Michaux, der einen immer so schön schwindlig spielt; und in den Vitrinen zahlreiche Originalbriefe. Von dem ewigen Jean Arp, gleichenorts, interessierte mich nur ein seltsames Blatt mit Photoübermalungen. Dann wollte ich in der Real Academia de San Fernando ein paar Goya-Postkarten kaufen – das wunderbare Villanueva-Portrait, das Selbstportrait vor der Staffelei und das Irrenhaus –, aber der uralte Kartenständer beim Eingang war durch einen enormen, dort zwischengeparkten Gipsabguss verstellt. Ich drängte mich trotzdem vorbei, wurde jedoch von der Dame im Kassenhäuschen zurückgepfiffen, was zu einer überaus charmanten Diskussion führte. Ah, so möchte ich mein Madrid wieder!

In der Galerie Helga de Alvear suchte ich bei den oben rechts zu sehenden Malereien von Katharina Grosse vor dem Regen Zuflucht.

Dann in den Botanischen Garten, in dem die Hinweisschilder auf die Ausstellung On-Site ein wenig aufsässig wirkten. Sie findet im Villanueva-Pavillon statt, und der ist von den Ausstellungsarchitekten seinerseits äusserlich verunstaltet worden. Diese Schau zeitgenössischer spanischer Architektur war zuvor in New York zu sehen gewesen; Terence Rileys gab damit seine Abschiedsvorstellung als Leiter der MoMA-Architekturabteilung. Verständlicherweise wurde dadurch das spanische Ehrgefühl gehoben; ebenso verständlich sind mir nun aber auch die teils harschen Kritiken.

Trivialer kann man die spanische Baugegenwart kaum darstellen: als Ansammlung architektonischer Konsumobjekte. Es sind ein paar Dutzend Projekte in- wie ausländischer Starentwerfer, teils fertiggebaut, teils erst geplant, zusammengelesen auf der Kuhhaut Spanien (wenn ich die piel de toro, mit der der Umriss des Landes gern verglichen wird, mal so nennen darf). Keinerlei historische Vertiefung, nicht die Spur eines Versuchs, Zusammenhänge zu erklären. Ein Bestiarium von Prestigebauten, vorgeführt ausschliesslich anhand von Modellen sowie auf leuchtenden Grossaufnahmen; ein Minimum an Zusatzinformation gibt’s auf Bildschirmen. Unten links ein Modell von Morphosis für eine Wohnüberbauung im Madrider Aussenbezirk Carabanchel.

Anscheinend übernahm die Comunidad de Madrid die Ausstellung hauptsächlich, um sich in zahlreichen Nebenveranstaltungen noch ein bisschen mit eigenen architektonischen Lorbeeren zu schmücken bzw. Heldenstücken zu brüsten. Weiterführende Informationen sind jedoch weder auf der Website der Stadt noch jener der Comunidad zu finden.

Zuletzt noch ein Blick auf die Baufortschritte des dem Botanischen Garten gegenüberliegenden CaixaForum von Herzog & de Meuron: aha, Corten-Quadrate über den kompakten Ziegelmauern des alten Kraftwerks. Das Erdgeschoss ist jetzt schon als künftiges, offenes Foyer zu erkennen.

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