ceci n'est pas une blague
Markus Jakob
Sweet Home Chicago (II)

So viele Städte sind’s nicht, in denen man sich – meines Erachtens – einmal herumgetrieben haben  m u s s : Paris, New York, Buenos Aires, Tokyo… Wien vielleicht, Lissabon, im D.F. (Mexico), in San Francisco… Eine schon etwas persönlichere Auswahl: Turin, Fes, Casablanca, Budapest, Sevilla… Und Saigon, San Antonio, Fukuoka… Das sind in etwa meine Lieblinge. Von China kenne ich nur Hongkong, aber es zieht mich nicht eigentlich dorthin. Hamburg steht schon lange auf meiner Warteliste, nebst Odessa und Sankt Petersburg, Nairobi vielleicht… Aber wirklich noch gesehen haben muss ich nur Tel Aviv und… Chicago. Und in Chicago bin ich nun endlich gelandet.

Was nach New York in Chicago zunächst auffällt, ist die Liebenswürdigkeit, wenn nicht Zahmheit der Menschen: jeder will dir gleich behilflich sein. »Welcome to the Knickerbocker!«, vis-à-vis vom Drake – weiterhin der ersten Adresse der Stadt –, und flankiert vom Palmolive Building (einem der schönsten Art-Déco-Wolkenkratzer Chicagos); im Rücken das 344 Meter hohen John Hancock Center (immer noch Amerikas exquisitester und zugleich kraftstrotzendster Wolkenkratzer der sechziger Jahre). Und Mies’ Wohntürme am Lake Shore Drive stehen nur zwei Blöcke entfernt.


Das ist das Nordende der Downtown;
ihrer Verlängerung über den Chicago River hinaus. Dahinter: Lake Michigan einerseits, die Stadt gewordene Prärie anderseits.
Die Michigan Avenue als neueres Geschäftszentrum hat architektonisch trotz der erwähnten und anderer Bauten nicht dieselbe Kraft wie der innerstädtische Loop.


Die neuralgische Naht bleibt der Chicago River,

downtown durch das Wrigley Building und den neugotischen, bis heute eher wegen der 1925 nicht gebauten Wettbewerbsprojekte berühmten Tribune Tower geprägt. Direkt hinter  dem Building des Kaumgummifabrikanten ist mit dem 415 Meter hohen Trump Tower nun Chicagos zweithöchstes Gebäude hochgezogen worden. Es stammt wie das Sears Building (1974, 442 m) und das John Hancock Center (1970, 344 m) aus der Küche der lokalen Großmeister Skidmore, Owings & Merrill.


Doch während der Hancock Tower sofort zum Klassiker wurde, und heute auch das anfänglich oft bemäkelte Sears Building mit seinem aus neun Quadraten geometrich in die Höhe schrumpfenden Grundriss unzweifelhaft seine Qualitäten hat, erscheint der Trump Tower weniger der gerundeten Volumen als seiner aufdringlichen Glashaut wegen als Fremdkörper: das weltweit zu beobachtende Phänomen, dass Glas trotz all seiner heute unendlichen Nuancierungsmöglichkeiten oft schlicht zu aufdringlich verwendet wird (was auf dem Bild rechts gewiss nicht der Fall des mittleren Gebäudes ist, des »Correctional Center« sprich der Untersuchungshaftanstalt zwischen Clark und Federal St., deren scharf bemessene Fensteröffnungen exakt den keine Vergitterung erfordernden Normen entsprechen.)


Der Trump Tower ist Chicagos sechstes über 300 Meter hohes Gebäude. Drei weitere sind im Bau – vielmehr, sie waren es. Denn Santiago Calatravas 610 Meter hoher Chicago Spire wurde auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt, und die Finanzkrise führte auch beim Waterview Tower zu einem Baustopp – vorläufig ist er eine 26 Geschoße erreichende Bauruine. In der Enge der »Altstadt« fällt so etwas allerdings nicht unbedingt auf.

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