Huelga general in Spanien am 29. September
In der Nacht zuvor kurz nach Mitternacht aus dem Haus. Der Paseo del Born sah aus, als wäre Heiliger Abend, nur umgekehrt: anstatt dass zu dieser Stunde alle Bars wieder öffneten, hatten sie aus Furcht vor den piquetes – den Streikposten – eben mit wenigen Ausnahmen zugesperrt. Auf den Gassen standen die Nachtschwärmer ratlos herum.
Am nächsten Vormittag via Internet verfolgt, was in der Stadt los war. Die Barrikaden, die einige Haupteinfallsachsen unpassierbar gemacht hatten, waren bereits beseitigt worden. Inzwischen lieferten die üblichen Schlägerbanden, die jede Gelegenheit wahrnehmen, um Stunk zu machen, im Stadtzentrum den Ordnungskräften ihre Scharmützel. Ein Video zeigte einen brennenden Streifenwagen. Das Helikoptergeknatter war zwischenzeitlich bis hierher zu hören. Ein Reporter wunderte sich, dass selbst die von Chinesen oder Pakistani geführten Läden, die sich sonst an keine offiziellen Schließungszeiten halten, aus Angst vor den piquetes die Rollläden heruntergezogen hatten.
Gegen abend verließen wir das Haus. Sahen zufällig, dass gerade das Champions-League-Spiel Rubin Kazan-FC Barcelona übertragen wurde. Setzten uns in eine Bar, orderten Gin Fizz, und eben als die zweite Halbzeit anfing, wurden die Bildschirme ausgeknipst, die Getränke kassiert, und alles suchte das Weite, ganz zuletzt dieses Rollstuhlpaar:
Die Avenida del Marqués de la Argentera war für den Verkehr gesperrt, als könnten sich die Straßenschlachten jeden Moment hierher verlagern. Blaulichter überall; doch keine halbe Stunde später ging alles seinen gewohnten Gang. Als wir später ein Restaurant suchten, war indessen wieder oder immer noch fast jedes der Lokale, das uns zugesagt hätte, geschlossen – ob aus Furcht vor den piquetes oder aus Überzeugung, dieser Generalstreik habe seine Notwendigkeit, wissen wir nicht.
Um eine möglichst knappe Analyse nachzuliefern: Eine seltsame Stimmung – sonntäglich, nur mit Sirenengeheul – war bis in die Wohnung spürbar. Als Mahnruf an den den sozialistischen Ministerpräsidenten Zapatero, dessen Politik in den vollkommenen Gehorsam gegenüber den Verursachern der Krise geschlingert ist, war dieser Streik dennoch unvermeidlich. Das Dilemma ist bloß, dass er Zapatero weiter schwächen, von seinem fremdbestimmen Kurs jedoch schwerlich abbringen wird; und die Alternative, die spanische Rechte, wird nach den nächsten Wahlen alles noch schlimmer machen.