Die Weihnachtsklunker hängen schon über den Gassen, obwohl wir tags noch immer über 20 Grad haben; auch die Nächte weiterhin mild, danke. In einer derselbigen habe ich nach langer Zeit wieder den Palau de la Música aufgesucht. Eine meiner Lieblingssängerinnen, Madeleine Peyroux, trat dort auf. Und es geschah, was im Palau immer geschieht: sowohl die auftretenden Künstler als auch das Publikum erschienen durch den ornamentalen Wahn des Saals zunächst wie erschlagen. Wie kann man in diesem aufgerissenen Maul, unter Tonnen wabernden Stucks Dance Me To the End of Love singen? Allenfalls bei den Zugaben setzt sich die Musik jeweils gegen diese ebenso sektiererische wie grandiose Architektur durch. – Der Palau war ja von Domènech i Muntaner 1905-1909 im Grunde als Konzerthalle für die damals höchst populären Chöre errichtet worden – L’Orfeó Català – und eignet sich schon akustisch nicht für symphonische Musik, geschweige denn für Jazz. Trotzdem widersteht kein Veranstalter seinem Glamour.
Oscar Tusquets hat dieses Monstergebäude in den letzten Jahren renoviert und um einen kleinen Konzertsaal erweitert. Das Foyer und die Terrasse wurden mit einer ganze Reihe Bars und Restaurants ausgestattet, und einen Moment lang weiss man nicht mehr, hat man sich eigentlich zu Tapas oder zu einem Konzert verabredet?
Ich wollte hier bloss kurz die vergangene Woche resümieren: die Fragonard-Ausstellung, das Konzert von Madeleine Peyroux… – Über die Einsetzung der neuen katalanischen Regierung sei hinweggegangen: zumal sich die klapprige Linkskoalition nochmals glücklich zusammengerauft hat gegen die bürgerlichen Nationalisten (CiU).
Was war da sonst noch? Ah, Natalie Jeremijenko, «a new media artist who works at the intersection of contemporary art, science, and engineering». Eine russische Ingenieurskünstlerin bzw. Kunstingenieurin? Ich eilte ins CCCB, um mir Gewissheit zu verschaffen. In der Hall eine für die Veranstaltungsreihe now präparierte Mac-Landschaft; auf der aus Holzpaletten errichteten Bühne referierte erst ein Soziologe, dann ein Molekularbiologe zum Thema des Abends: unseren Ängsten vor der galoppierenden Entwicklung der Biotechnologie und ihrem Einbruch in unseren Alltag. Zwischen den beiden struppigen spanischen Wissenschaftern wartete Natalie auf ihren Auftritt. Sie ist nicht Russin, sondern Australierin. Heute lebt sie in New York und San Diego und entwickelt an den dortigen Eliteuniversitäten ihre Projekte. In einer E-Mail versuchte ich einem Freund den denkwürdigen Abend zu schildern: natalie, très belle, très chic dans sa robe mini rouge écarlate, avec des bottes noires, sur son fauteuil rouge et avec son iBook tout aussi rouge! inutile de dire que c’est une communiste. jeremijenko! c’est avec des animaux manipulés in silico, voire moyennant pseudopodie fagocitante, qu’elle veut donc faire la révolution. Na ja, vielleicht eine etwas enganliegende Zusammenfassung. Aber man soll sich ja kurz fassen.
Anschliessend gingen wir ins Kino: Peckinpahs The Getaway, einer meiner Kinofetische, seit 25 Jahren nicht mehr gesehen. Diese Woche steht er auf dem stets wunderbaren Programm des Reprisenkinos Méliès.
Am Samstag verpasste ich dann Ronaldinhos schon legendären Fallrückzieher zum 4:0 gegen Villarroel. Wer hat da was von Barças Niedergang gemunkelt?