Die Autovía de Castelldefels (älteste Autobahn Spaniens!) durchquert das Delta des Llobregat und führt vom Flughafen schnurgerade in die Stadt. Irgend einmal nimmt sie den Namen Gran Vía an; trotzdem war es lange eine ziemlich schäbige Einfahrt, gesäumt von Schrotthändlern, Bordellen, den gnadenlosen Wohnscheiben von Bellvitge (die indessen gar nicht so schlecht funktionieren). Sie bilden übrigens eine der bevorzugten Kulissen des im vorhergehenden Posting erwähnten Films Perros callejeros. Nun haben sie einen neuen Nachbarn erhalten, das 30-geschossige Hotel Hesperia von Richard Rogers mit seiner eher albernen Kuppel, in der das Restaurant eines jener Starköche untergebracht ist, deren Namen heute zur Allgemeinbildung gehören (Santi Santamaría in diesem Fall):
Wir befinden uns hier noch auf dem Gemeindegebiet der Vorstadt L’Hospitalet (260’000 Einwohner und neuerdings mit dem eleganten Kürzel «L’H» paradierend). Das an der Grenze zwischen L’H und Barcelona liegende Teilstück der Gran Vía ist heute, sieht man von der weiträumigeren Transformation des Industrieviertels Pueblo Nuevo ab, die grösste Baustelle der Stadt. Auf etwa 2 Milliarden Euro soll sich die Bausumme belaufen, und darin noch nicht einmal inbegriffen sind die 28 Wohntürme, die um die künftige Plaza de Europa gruppiert werden.
Dieser Platz – Gestaltung: Albert & David Viaplana – bildet das Zentrum der 1,5 Kilometer langen, zurzeit im Bau befindlichen Überdeckung der Gran Vía. Jetzt schon breiten sich hier, anstelle der einstigen Autofriedhöfe, eine Shopping Mall und eine Ikea-Filiale aus. Sie werden von zahlreichen Hochbauten umgeben sein, wobei man in Barcelona keine Höhenrekorde anstrebt, sondern im wirtschaftlich vernünftigen Bereich von 80 bis 120 Metern bleibt.
114 Meter hoch werden die Zwillingstürme von Toyo Ito, die den Messeeingang an der Gran Vía flankieren: offensichtlich eine Weiterentwicklung seines Medienzentrums in Sendai. Ito hat den Wettbewerb für die gesamte Messeerweiterung gewonnen, eine 900- Millionen-Investition, dank der Barcelona weiterhin in der ersten Liga der Messeplätze mitzuspielen hofft. Zwischen den teils bereits gebauten Messehallen wird sich eine Ito’sche «Rambla» schlängeln. Der Bau der Metrolinie 9, mit 42,6 Kilometern die längste Europas, wird die Messe mit der Stadt und dem Flughafen verbinden.
Nicht genug damit, sind unweit der Messe zwei weitere grosse Geschäftszentren in Planung: die City Metropolitana von Jean Nouvel (zusammen mit Ribas & Ribas) und ein Office Park von Foreign Office Architects an der Avenida de la Zona Franca.
Anders als die Messeerweiterung dürfte die Realisierung dieser beiden Projekte allerdings noch auf sich warten lassen. Zum Verdruss der Anwohner nur zu heftig gebaut wird hingegen an der Ciudad Judicial von David Chipperfield und b720, gleichfalls an der Gran Vía, aber schon nahe der Plaza Cerdá.
Selbstverständlich sind entlang dieser Stadteinfahrt – neben Rogers’ bereits gebautem Hesperia – auch etliche Hotelbauten vorgesehen. Der ungewöhnlichste: das Hotel Habitat von Enric Ruiz-Geli in Zusammenarbeit mit dem New Yorker Künstler Vito Acconci.