Das Sónar gerät zuunehmend ins Schussfeld der Kritik: sein Programm sei nicht mehr gar so wagemutig, so avantgardistisch wie einst. An anderen Festivals, die nicht mit dem Prädikat «advanced» paradieren, seien teils interessantere Musiker zu hören. Gerade vor zwei Wochen zum Beispiel am Primavera Sound im Parc del Fòrum, und Mitte Juli gleichenorts am Summercase-Weekend. Die Sónar-Verantwortlichen hatten es übrigens abgelehnt, gleichfalls auf das Gelände, das wir das Delta der Diagonale genannt haben, umzuziehen, und blieben für das Sónar by night lieber in den doch eher unwirtlichen Messehallen der Fira 2, weit draussen in der Zona Franca.
Dem Parc del Fòrum haben wir nach langer Zeit wieder einmal einen Besuch abgestattet. Diesen Sommer herrscht hier eigentlich erstmals Normalbetrieb, nach dem Forum 2004, mit dem er eröffnet wurde, und den letztjährigen Ergänzungen wie der zweiten Solarzellenpergola (links). Auch die Zona de baños (rechts) mit ihren vorgelagerten Inseln ist jetzt offen und wird akrobatisch einwandfrei von arabischen Wasserspringern benutzt.
Seltsam, dass hingegen gerade der neue Jachthafen noch fast verwaist daliegt – gibt es da ein Überangebot an Anlegeplätzen? oder ist das Vorhaben, das Publikum für einmal n i c h t mit Bars und nächtlichem Allotria herbeizulocken, zum Scheitern verurteilt?
Jedenfalls schliessen die dunklen Betonwände der von der Esplanade her sich erstreckenden Finger den Hafenraum ab, ohne dass kunterbunte Kommerzwelt die Reinheit der Anlage – mit der equilibristischen Stahlbrücke – beeinträchtigen würde; aber auch die schönen Cortenstahlbehälter über dem Wasser, für Restaurants vorgesehen, stehen leider leer.
Das Forum ist bekanntlich der Versuch, einen von harten Infrastrukturen – dem Klärwerk und der Müllverbrennungsanlage – okkupierten Schandwinkel in einen öffentlichen und erfreulichen Stadtraum zu verwandeln. Dieser urbanistiche Effort ist, so scheint mir, weder in Barcelona selbst (wo er eher Hohn erntete) noch im Ausland so wahrgenommen worden, wie er es verdient. Aber es ist doch erstaunlich, dass sich einem hier nun plötzlich solche Anblicke bieten: die Polykarbonathülle der Verbrennungsanstalt, eine Bank auf einer Böschung über der Mündung des Río Besós.
Letztere gehören zur Intervention der Madrider Architekten Abalos & Herreros, deren Park sich von der Müllverbrennungsanlage als lauschiges Tal zu einem neuen Strand hinunterzieht. In der andern Richtung sind die drei Kamine der Central Térmica in Badalona immer noch horizontbeherrschend.
Man gelangt auf diesem Gang schliesslich an die Mündung des Río Besós. Wer hätte es für möglich gehalten, in dieser einstigen Kloake je einen Badenden zu erblicken? Die Bereinigung dieses Flusses und seiner Ufer, die die Stadtgrenze markieren, ist vom Publikum fast unbemerkt vonstatten gegangen – ausser natürlich den Hunderttausenden, die in seiner unmittelbaren Umgebung leben und die nun, anstatt sich die Nase zuzuhalten, in den Besós-Auen spazieren, wenn nicht sogar im Fluss baden gehen.
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