Eiscrème-Design, das wäre doch ein schönes Sommersujet gewesen. Oder Postkarten: wichtige Dinge in einem Land, in dem es mehr Touristen als Eingeborene zu geben scheint. Die Statistik untermauert das gewissermassen: Katalonien mit seinen 7 Millionen Einwohnern wurde in den ersten sechs Monaten 2006 – also noch vor dem Juli- und August-Tourorismus – von 8,6 Millionen Ausländern besucht. Im selben Zeitraum legten in Barcelona 186 Kreuzfahrtschiffe an. Auch ein gutes Geschäft, diese Tausendschaften ausspuckenden schwimmenden Städte.
Da erscheint es, wie gesagt, ratsam, dass die Postkarten gut gestylt sind. Und sie sind es. In den letzten Jahren wurden einige Serien kreiert, die auch Leute, die andere Städte auf der Suche nach einer halbwegs präsentablen Ansichtskarte tagelang vergeblich durchstreifen, guten Gewissens verschicken können. Im Bild die wawas genannten Bijous. Im Hintergrund übrigens die Südseite von Miralles’ Mercat de la Santa Caterina. Auch dieser Markst ist mittlerweile ein Postkartensujet, und nicht nur für wawas. Die blinde, bisher unansehnliche Südseite des Marktgevierts wurde unlängst in einem weiteren gestalterischen coup de force in dieses Gebilde verwandelt:
Der monumentale Doppelbrunnen im Zentrum hält wohl niemanden vom Gang an die Strände ab, wo das Wasser diesen Sommer zeitweise fast 30 Grad erreichte, und obwohl man es dort – vermutlich eben der hohen Wassertemperaturen wegen – mit immer zahlreicheren und grösseren Quallen zu tun bekommt. Um das Design dieser schönen, aber unliebsamen Kreaturen braucht sich freilich niemand zu kümmern.
Thema Fussball. Barça hat die Bayern in einem Vorsaisonspiel 4:0 abgefertigt, dann gegen Sevilla 0:3 verloren (im Spiel des Champions-League- gegen den Uefa-Cup-Sieger), im ersten Meisterschaftsspiel in Vigo gegen Celta wieder 3:2 gewonnen. Tore von Eto’s, Messi und – kurz vor Schluss – der Siegestreffer des neu von Chelsea zugezogenen Isländers Gudjohnson. Hm, und in den Gruppenspielen der Champions League wurde Barça wieder Chelsea zugelost…
In den letzten Tagen sah es in den spanischen Zeitugen gar nicht nach Sauregurkenzeit aus. Eines der Hauptthemen waren die zu Tausenden in ihren Barkassen auf den Kanarischen Inseln anlandenden Immigranten. Viele dieser aus Senegal und Mauretanien unter Lebensgefahr nach Teneriffa – oder welche Insel sie immer erreichen, wenn sie denn eine erreichen – übersetzenden Schwarzafrikaner wurden mittlerweile aufs Festland überführt. Auch nach Barcelona, wo sie im jüngst eröffneten Auffanglager in der Zona Franca mit einem Sandwich und etwas Taschengeld ausgestattet und dann in die fremde Welt entlassen wurden, als Sans-Papiers und Herkunftslose (zu denen sie sich, um die unmittelbare Rückschaffung zu verhindern selbst gemacht haben).
Thema Sittenverwilderung: die Fiesta in Gracia ging praktisch ohne gewaltsame Auseinandersetzungen zu Ende, weil die Polizei anders als letzten Sommer davon absah, die Einhaltung der Sperrstunde für das Volksfest (03:30) durchzusetzen. So erwies sich zwar die neue Sittenverordnung einmal mehr als Papiertiger und die Anwohner hatten sich bis ins Morgengrauen betrommeln und ihre Strassen bepissen zu lassen, aber wenigstens wurden jene unangenehmen Schlagzeilen vermieden, Barcelonas Jugend habe (mit tatkräftiger Hilfe unzähliger guiris, wie Ortsfremde hier heissen) Strassenschlachten entfesselt, bloss um ihr Recht einzufordern, auch um fünf Uhr früh nach Belieben herumgrölen zu können.
Zu lesen war auch, dass Woody Allen nächsten Sommer nach seinen drei London-Filmen – der dritte ist eben in Arbeit – einen Barcelona-Film drehen wird. Ob er das Delirium, das der Sommer hier im Grunde ist, irgendwie einzufangen verstehen wird? Diese Chinesen zum Beispiel, die an den Ramblas auf der Terrasse von McDonald’s – sobald dieser gegen zwei Uhr schliesst – den Passanten Massagen anbieten?