«Das Problem der spanischen Nationalmannschaft besteht darin, dass ihre Symbolkraft viel schwächer ist als die von Real Madrid und Barça. Wieviel Lärm die Medien bei jeder WM auch zu machen versuchen, es bleibt ein künstliches Getöse, und der Ballon platzt beim ersten Nadelstich», schreibt Josep Ramoneda heute in El País. Diesen Nadelstich verabreichten den jungen Spaniern am Dienstag Frankreichs abgebrühte Senioren, bekanntlich ein multikulturelles Unternehmen, dessen gutes Image eben auf dieser Tatsache beruht. Ein anderer spanischer Essayist, Vicente Verdú, stellt im selben Blatt ziemlich wirrselige Mutmassungen darüber an, ob die Marke Spanien mit dem permanenten Scheitern ihrer Fussballmannschaft nicht an Wert einbüsst – und was dagegen zu unternehmen wäre.
Höchstwahrscheinlich wird auch die spanische Auswahl in zehn, spätestens zwanzig Jahren grossenteils aus Immigranten oder ihren Nachkommen bestehen. Die Einwanderung aus der Dritten Welt, auch aus Osteuropa, hat hier spät, dafür umso heftiger eingesetzt, wie die im vorstehenden Posting genannten Zahlen beweisen (es sind die offziellen Zahlen und sie dürften mithin eher zu niedrig sein). Obwohl Spanien zusammen mit Italien seit Jahren die niedrigste Geburtenrate der Welt aufweist (zwischen 1,2 und 1,3), ist die Bevölkerungszahl seit 2000 von knapp 40 auf über 44 Millionen geschnellt.
Wird aber eine aus Rumänen, Kolumbianern, Marokkanern und Chinesen bestehende selección dereinst die symbolische Vorherrschaft der beiden grossen Clubs, Real Madrid und Barça, zu brechen vermögen? Eine Antwort auf diese Frage gibt auch dieser von mir für das NZZ Folio (die WM-Nummer) übersetzte Artikel von Guillem Martínez nicht. Die Übersetzung war für die Publikation ziemlich rüde redigiert worden – hier das Original, das auf einigermassen witzige Weise erklärt, warum der spanische Ballon immer platzen muss.
Und wie bringen wir jetzt hier Messi noch ins Spiel? Morgen wird er das grosse Fahneneinrollen in Deutschland auslösen, sei hier mal vorausgesagt (obwohl mein Freund Markus Grob so schön gedichtet hat: mi-ma-messi/diesen da vergess-i/denn schweini ist viel bessi). Ausserdem ist ja auch Messi ein Immigrant – wurde schon im zarten Alter von dreizehn Jahren nach Barcelona transferiert und hat inzwischen sogar einen spanischen Pass. Aber er will ja Weltmeister werden, und da hat er in Blau-Weiss natürlich die besseren Chancen.
Ich werde mir das Spiel im maumau club ansehen, voraussichtlich von Scharen von Argentiniern umgeben (in Katalonien dürften ihrer inzwischen fast 100’000 leben – ein andermal mehr darüber). Mögen sie bloss morgen nicht in die tiefe Melancholie verfallen, die neben der grossen Röhre ihr zweiter wesentlicher Charakterzug ist.