ceci n'est pas une blague
Markus Jakob
Miguel Fisac (1913-2006), Kultarchitekt

Nach längerer Pause, bedingt durch ein unfreiwilliges Offline-Dasein, melde ich mich zurück, bitte um Nachsicht und fange mit einem Nachruf an. Miguel Fisac, einer der souveränsten spanischen Architekten des 20. Jahrhunderts, ist am 12. Mai in Madrid gestorben. Näheres zu Fisac in diesem 1997 in der NZZ erschienenen Artikel (.pdf).

Fisacs Ruhm erreichte seinen Höhepunkt 1999 durch den barbarischen Abriss eines seiner besten Bauten. Die «Pagode» – Teil eines Ensembles für ein Chemiewerk – fiel jedem Reisenden auf dem Weg vom Flughafen Barajas ins Madrider Stadtzentrum auf: ein Piktogramm der sechziger Jahre, gebautes Zeichen des spanischen Aufbruchs jener Zeit, der sich Extravaganzen nicht nur leisten konnte, sondern ihrer dringend bedurfte. Dass die Madrider Behörden nicht imstande waren, dieses Kleinod vor der Unersättlichkeit der Baulöwen zu retten, ist leider symptomatisch für ihre derbe, ranzige und korrupte Planungspolitik.

Der damals 86-jährige Fisac war über den Verlust natürlich tief betroffen. Ein anderes, enormeres Beispiel für die gnadenlose Banalität der Madrider Stadtentwicklung sollte sich in den folgenden Jahren direkt vor seinen Augen abspielen. Der Architekt hatte 1956 sein feinknochiges eigenes Haus auf dem Cerro del Aire, einem Hügel im seinerzeit noch weitgehend unversehrten Norden der Stadt, gebaut. Heute blickt man von dort auf eine Sanchinarro genannte Monsterüberbauung, zwischen Autobahntentakeln und Einkaufszentren, an der das ganze Elend der spekulativen Bauwut in der Madrider Peripherie deutlich wird.

Zwischen 1955 (das Dominikanerkloster San Pedro Mártir) und 1974 (Editorial Dólar) waren in derselben Umgebung eine ganze Reihe von Fisac-Bauten entstanden: der «Lufthügel» war eigentliches Fisac-Land, und es mit dem so eleganten wie liebenswürdigen Caballero zu durchstreifen, ein herrliches Vergnügen.


Mitte der fünfziger Jahre erfolgte sein Bruch mit dem Opus Dei und namentlich mit dessen Gründer, dem inzwischen vom Vatikan heiliggesprochenen San Escrivá de Balaguer, mit dem er bislang enge persönliche und berufliche Beziehungen gepflegt hatte. Fisacs Laufbahn nahm dadurch eine vollkommen neue Wende: von dem durch eine mächtige Organisation gestützten Architekten zum Einzelkämpfer, zum Erforscher insbesondere der dem Beton innewohnenden konstruktiven und formalen Möglichkeiten. Als Hauptrepräsentant seiner revolutionären Dachkonstruktionen dürfte das Centro de Estudios Hidrográficos (1960) gelten. Später experimentierte er mit Beton als einem «weichen Material» – liess ihn in nie gesehene Formen giessen, die etwa die Casa del Sr. de Juan (1973) wie ein im Garten liegendes Polsterkissen erscheinen lassen: sehr adäquat für das in der Anflugschneise des Flughafens liegende Einfamilienhaus.



Die poppige, aber wohldurchdachte Eigenwilligkeit solcher «Häute» wurde erst in den neunziger Jahren wirklich wahrgenommen, und Fisac avancierte denn auch zum Kultarchitekten einer jüngeren Architektengeneration. 2003 wurde er endlich mit Spaniens nationalem Architekturpreis ausgezeichnet. – Es gilt Abschied zu nehmen von einer unwiederholbaren Figur.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.