Bei einer Strassenumfrage, durchgeführt von siebzig Architekturstudenten auf Initiative ihres Professors Alberto Estévez, sind die beliebtesten sowie die unbeliebtesten Bauwerke Barcelonas eruiert worden. Das Ergebnis birgt keine Überraschungen; der Volksgeschmack (es wurden immerhin 3386 Passanten befragt) foutiert sich um die Kriterien der Architektur- und Designzeitschriften und orientiert sich eher am pompösen, von Postillen wie ¡HOLA! propagierten Wohnstil. Wenn es – wie hier – um die äussere Erscheinung geht, haben ohnehin nur identitätsstiftende, als Ikonen geltende Bauten eine Chance. Auf den ersten Plätzen lagen mithin lauter Gaudí-Bauten: die Sagrada Familia (862 Stimmen), gefolgt von der Pedrera (486 Stimmen), der Casa Batlló und dem Parc Güell. Dazwischen schob sich Jean Nouvels Torre Agbar auf den dritten Rang. Nouvels Turmbau hob sich allerdings mit 1040 Stimmen mehr noch als das unbeliebteste Bauwerk der Stadt ab, während die Sagrada Familia lediglich von 130 Befragten auf die schwarze Liste gesetzt wurde. Vorbei die Zeiten, da der barbarische Weiterbau an Gaudís Tempelruine breite Schichten gegen sich mobilisierte, sei’s aus antiklerikalen Gründen oder aus solchen des Respekts dem Meister gegenüber.
Erstaunlich ist vielleicht nur, dass ein gotisches Wunderwerk wie die Kirche Santa María del Mar abgeschlagen im Mittelfeld landete. Die Umfrage fand allerdings statt, noch bevor der historische Roman «La catedral del mar» von Ildefonso Falcones, bei dem es um den Bau dieser fabelhaften Kirche geht, jüngst überraschend die Spitze aller spanischen Bestsellerlisten erkletterte.
Das zweitunbeliebteste Bauwerk der Stadt ist laut der Umfrage derzeit das Edificio Forum von Herzog & de Meuron (488 Stimmen). Man könnte lange über die Gründe dafür sinnieren. Sie haben zweifellos mehr mit dem missratenen Propaganda-Tamtam «Forum 2004» als mit dem Bau an sich zu tun, dessen schaumige Mauern und spiegelnde Decken – wer weiss – vielleicht eines Tages doch noch zum Klassiker avancieren. Er birgt immerhin den wohl schönsten Konzertsaal der Stadt.
An Verhasstheit übertroffen wird er nur durch Nouvels phallischen Stengel an der Plaça de les Glòries. Ein aufsässiger Bau, das lässt sich nicht bestreiten. Und, so scheint es, zum Solitär bestimmt. Aber vielleicht ist gerade die Vorstellung irrig, er müsse da auf alle Zeiten so einsam aufragen. Bei der Stadtplanung war man von Anfang an anderer Meinung.
Für die Stadt selbst hat der Madrider Architetkt Federico Soriano in unmittelbarer Umgebung ein Verwaltungsgebäude geplant, dessen seltsamer ondulierender Grundriss bis auf eine Höhe von 80 Metern durchgezogen werden soll. Und an der Diagonale werden zahlreiche weitere Hochbauten Nouvels Stengel Gesellschaft leisten, von den Türmen des Campus Audiovisual (wo unter andern David Chipperfield seine geometrischen Muster in den Himmel wachsen lassen wird) bis zu Perraults hier jüngst präsentiertem Hotel Habitat. Die Torre Agbar wird zwar das höchste Gebäude der Umgebung bleiben, aber keineswegs so mutterseelenallein wie jetzt noch.