In der Schweiz hatte ich, wenn ich in ein Taxi stieg, oft das Gefühl, in die gute Stube des betreffenden Chauffeurs einzudringen. Ein unbehagliches Transportmittel: nicht wirklich öffentlich und schon vom Preis her prohibitiv. Ist es in helvetischen Gefilden nicht sogar Brauch geworden, dass der Fahrgast statt auf dem Rücksitz neben dem Fahrer Platz nimmt, um diesen ja nicht in seinem delikaten Selbstwertempfinden zu kränken, zu diskriminieren vielleicht, ob durch ungebührliches Gefläze oder gar Geküsse im Fond des Wagens?
Da lobte ich mir Städte wie New York, Buenos Aires, Barcelona: jederzeit an jeder Ecke konnte man ein freies Taxi herbeiwinken. Es gab sie im Überfluss, man stieg ein und liess sich ohne langes Federlesen an den gewünschten Ort kutschieren, ob küssend oder ob einsam dahinschaukelnd.
In Buenos Aires gab es 30’000 Taxis, in Barcelona immerhin etwa 13’000, mehr als in jeder andern europäischen Stadt (in Peking, las ich auf irgendeiner Website, sei ihre Zahl binnen weniger Jahre von 10’000 auf 60’000 geschnellt). Das barcelonesische Institut Metropolità del Taxi gibt nun bekannt, dass die Zahl der Lizenzen auf 10’300 reduziert wurde (immer noch fast so viele wie im vier- oder fünfmal bevölkerungsreicheren New York). Nicht nur höhere Tarife haben Barcelonas taxistas Jahr für Jahr erstritten, sondern mehr noch dies, dass die Erteilung neuer Lizenzen so gut wie verunmöglicht wurde. Leerfahrten, frustrierendes Herumkurven: Schreckgespenst jedes Taxifahrers. Für den Urbanauten hingegen waren die omnipräsenten grünen Lichter auf den Taxidächern die Verheissung, dass die Stadt für ein paar Peseten ihm gehörte.
Heute kann man in Barcelona nur noch nach geduldigem Warten und eventuellen Revierkämpfen mit andern Aspiranten ein Taxi ergattern. Und nicht nur Samstag nachts zwischen drei und fünf oder wenn es plötzlich zu regnen anfängt, sondern immer und überall, bei Tag und bei Nacht. Auch die Taxistandplätze – deren es früher gar nicht bedurfte – verheissen bloss trübsalspendendes Schlangestehen. Der wunderbare urbane Luxus, jederzeit überall huschhusch ein Taxi herbeizuwinken: das war einmal.
Die Webseite des Taxiverbands informiert weiter darüber, dass in Barcelona jährlich etwa 110 Millionen Kunden befördert werden: circa 10’000 Fahrten pro Vehikel, 40 pro Tag und Fahrzeug. Eine zunehmende Zahl davon erfolgt heute zweifellos auf telephonische Bestellung (noch kennt indessen kein Barcelonese irgendeine Radiotaxinummer auswendig). Doch wer wie einst mit seinem Koffer reiselustig vor die Haustür tritt mit der Idee, sich 25 Minuten später am Airport absetzen zu lassen, checkt sein Ticket, wenn er denn einmal im Taxi sitzt, besser schon gleich auf Umbuchungsmöglichkeiten.
Nur jeder fünfundzwanzigste Chauffeur ist eine Frau, erfährt man auf der Taxi-Website weiter. Keine Statistik wird hingegen darüber geführt, welche Radiosender die Fahrer bevorzugen. Diesbezüglich sind immerhin gewisse Fortschritte zu verzeichnen. Zwar wird das Taxigewerbe – nicht mehr lange wohl – weiterhin von spanischen Einwanderern beherrscht. Aber auch sie hören nicht mehr ausnahmslos das noch Stunden nach Spielschlus anhaltende Fussballgekrächz oder die reaktionären Schwatzrunden der COPE, des Radios der Bischofskonferenz. Manchmal wird man von Thelonious Monk die Calle Balmes hinuntergetragen.
Die barcelonesischen Taxis sind so gelb-schwarz wie eh und je. Die grafischen Retouchen des argentinischen Designers América Sánchez liegen jetzt auch schon zwanzig Jahre zurück. Schön ist es, im Taxi durch Barcelona zu kurven. Wenn man eines erwischt, steigt man am besten gar nicht mehr aus.