ceci n'est pas une blague
Markus Jakob
Die Leerung der Stadt

Eine Ausstellung in der Fundación Tàpies (noch bis 16. April): Archivo F.X.. von Pedro G. Romero. Zu sehen bekommt: man zunächst ein enormes, piranesihaftes, treppauf treppab, über Passerellen und Plattformen führendes Baugerüst, das die ganze Halle füllt. Da liegen Stapel von Zetteln aus, Laptops laden zum Klicken, eine Bar zum Trinken ein. Im «Kino», einer Art Aussichtsterrasse auf die Projektionsfläche, läuft ein unwahrscheinlicher Streifen: Perros callejeros («Strassenköter») aus dem Jahr 1977. Diese krude, sogar sehr krude Tragödie über jugendliche Kriminelle aus Barcelonas Suburbia lohnt allein den Besuch, auch wenn der Originalton in weiten Teilen durch (freilich intelligente) soziologische Kommentare überblendet wird. Carlos Sauras etwas später gedrehter Klassiker Deprisa, deprisa über eine Bande Madrider Vorstadtdelinquenten mutet, obwohl es zweifellos Sauras bester und unzimperlichster Film ist, daneben eher zahm an. Sozusagen die stubenreine, festivaltaugliche Version der Perros callejeros.

Der Film war zum Teil in der damals aus dem Nichts errichteten Vorstadt Badia gedreht worden. Die Überbauung war jahrelang leergestanden und litt, einmal bewohnt, unter all den Mangelerscheinungen, die Pedro G. Romero unter dem Stichwort «La ciudad vacía» zum Thema seiner Ausstellung macht. Die Berge von Material, die er zu Badia und seiner Leere anhäuft, sind nicht eben leicht konsumierbar. Sie stehen in einem offensichtlichen, wiewohl vagen Zusammenhang zu jener andern Sammlung, an der er schon jahrelang arbeitet: dem Archivo X.F., das im Untergeschoss der Fundación Tàpies ausgebreitet ist. Es basiert auf Dokumenten zur antiklerikalen Ikonoklastik in Spanien zwischen 1845 und 1945. Welcher Furor da zeitweilig am Werk war, vielmehr: zum Ausbruch kam, zeigen am eindrücklichsten die Aufnahmen aus jenen Tagen – 26. bis 31. Juli 1909 –, welche die Geschichtsbücher als Barcelonas «Semana trágica» verzeichnen. Romero legt an die hundert Bilder der Zerstörungen, die kaum einen kirchlichen Bau der Stadt ungeschoren liessen, als Postkartenserie auf, gestapelt zur freien Verfügung der Besucher:


«Die geleerte Stadt». Eine mühsame, verwirrende, unerschöpfliche Ausstellung, zu der Romero ausserdem als Gäste (Seminarien, Vorträge) einige der besten Köpfe Spaniens beigezogen hat: den Schriftsteller Enrique Vila-Matas, den Anthropologen Manuel Delgado, den Kunsthistoriker Juan José Lahuerta.

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