Man heisst es das Schandloch, el forat de la vergonya. In den vergangenen Jahren ist es von den Anwohnern in den SELBSTVERWALTETEN PARK DES SCHANDLOCHS – so die Inschrift auf dem hier zu sehenden «Denkmal» – verwandelt worden: Tomatenstauden und aus Sperrgut gezimmertes Mobiliar, ein Fussball- und ein Basketballplatz.
Die Schande, die gemeint ist, ist die der Stadtplaner, die vor zehn Jahren im Altstadtviertel jenseits des Mercat de la Santa Caterina nachgerade tabula rasa zu machen gewillt schienen. Als der Widerstand wuchs, beauftragten sie den im Viertel wohnhaften Enric Miralles mit dem Masterplan. Winkelreiche und fast zu schmucke neue Wohnhäuser verschiedener Architekten säumen inzwischen die Achse bis zum nach wie vor klaffendenforat. Links Ansichten aus dem Jahr 2003, rechts der heutige Zustand:
Blick zurück (links) und voraus zum unteren Ende des forat de la vergonya, wo die Immigrantenkids Basketball spielen, vor einem neuen Wohnbau von Garcés & Soria:
Muss das Spielfeld nun verschwinden, bloss weil der Hauseingang recht elegant geraten ist?
Offenbar definitiv gekippt worden ist das ursprünglich hier geplante Parkhaus «zu Diensten der Kulturtouristen, die der bereits tunlichst desinfizierten Gegend um das Museu Picasso und den Born zustreben», wie es der Stadtanthropologe Manuel Delgado in diesem Artikel formuliert. Anfang Oktober ist es dennoch erneut zur Konfrontation gekommen, als Teile des selbstverwalteten Parks aufgerissen wurden, um das Terrain für dessen amtlich abgesegnetes Styling vorzubereiten.
Die Lokalpresse hat über die Hintergründe einmal mehr auffällig dürftig informiert. Schlagzeilen machten bloss die Ausschreitungen jener Krawallmacher, denen ohnehin jeder Anlass willkommen ist, um sich in Szene zu setzen. Ihre Zahl wird auf 250 beziffert, und zu ihrem Arsenal gehören mittlerweile selbstgebastelte Raketenwerfer. Der Aufruhr ging einher mit Demonstrationen gegen die trotz oder wegen des Immobilienbooms immer akutere Wohnungsnot junger Spanier – Näheres zu dieser Agitation hier. Dieses freilich nicht zufällige Aufflackern von Widerstand gegen die ungehemmte Spekulation veranlasste das spanische Innenministerium, das für das vergangene Wochenende in Barcelona einberufene Gipfeltreffen der EU-Wohnbau-Minister abzusagen bzw. zu verschieben – entgegen der Ansicht des neuen Bürgermeisters Hereu.
Eine sehr merkwürdige Entscheidung: als wäre Barcelona nicht imstande, die Sicherheit der Konferenzteilnehmer gegen eine Schar Möchtegern-Stadtguerrilleros zu garantieren. Als erkläre sich der Staat selbst zum hilflosen Opfer einer Erpressung durch ein paar Lümmel – und dabei hatten die noch nicht einmal angekündigt, wieder Stunk machen zu wollen! So wird das fundamentale demokratische Recht auf Protest präventiv unterlaufen, und zugleich weicht man der Debatte um die Wohnungsfrage einmal mehr aus. Oder hatten die Wohnbau-Minister sich gar nichts zu sagen, weil die Baulobby als Wirtschaftsmotor nun einmal tabu ist, fragte ein Leserbriefschreiber? (Vgl. auch den vorhergehenden Eintrag. Irgend einmal wird Grundsätzlicheres zu diesem Thema folgen. Hier schon mal der unredigierte Text meiner im Sommer in der NZZ erschienenen Reportage über den Fall Marbella sowie drei Bilder aus der Gegend, die die Briten schlicht the Costa nennen.)