ceci n'est pas une blague
Markus Jakob
Hombres eléctricos

Ich kann es nicht mehr anhören, das ewige Gejammer, dieses Viertel sei zugrundegerichtet worden: zugrunde gentrifiziert und – in noch schrecklicherem Ausmass – zuschanden kommerzialisiert. Die Rede ist von dem Altstadtquartier, in dem ich seit zwanzig Jahren lebe. Früher hiess es La Ribera, jetzt wird es – pars pro toto – gemeinhin El Born genannt. Dies nach der gleichnamigen kleinen Promenade, einst Schauplatz mittelalterlicher Turniere, und dem Mercado del Born, einer ebenso grandiosen wie eleganten Eisenstruktur von 1876, die bis 1972 als Zentralmarkt der Stadt diente und seither leer steht.

Daraus scheint mir zweierlei hervorzugehen: Dieses Viertel hat eine klare Bestimmung zu Spiel und Unterhaltung einerseits, zum Handel und zu von Waren überquellenden Regalen andererseits. Was gibt es also daran zu meckern, dass es zu dieser seiner, nach der Räumung und Verlegung des Zentralmarkts weitgehend verlorenen Bestimmung nun in neuer Form, unter andern Vorzeichen zurückgefunden hat? Reihenweise sorgfältig gestaltete Boutiquen, eine erstaunliche Menge neuer Feinkostgeschäfte, zahlreiche teils sehr empfehlenswerte Restaurants und – wer wollte es bestreiten – auch einige abscheuliche Touristenfallen sind in die Erdgeschosse fast aller Gassen eingezogen; was selbstverständlich mit einer skandlösen Preistreiberei und Wertsteigerung einherging, die jetzt allerdings zum Stillstand gekommen ist.

Und was ging verloren? Ein paar Handwerksbetriebe, die ohnehin geschlossen hätten, ein paar schmuddlige Bars, auch ein charmanter Strickwarenladen und ein herrlich staubiges Glasgeschäft sowie eine Menge schlecht genutzer Geschäftsräume. Viele der grossartigen alteingesesssenen Fachgeschäfte haben sich hingegen gehalten und sind durch das Aufblühen der Umgebung selbst wieder neu erblüht. Darüber ein andermal mehr.

Heute sei nur ein nie genug zu rühmender Meister seines Fachs vorgestellt, der am Carrer Argenteria seit Jahrzehnten ein winziges, keine zehn Quadratmeter messendes  Geschäft für Elektrozubehör führt und aus dem unbeschreiblichen Chaos überall sich stapelnder Schachteln und Schächtelchen, zwischen blinkenden Funzeln, enigmatischen Drahtspulen und Modulen, aus unvermuteten Schubladen und scheinbar der Entsorgung geweihten Kartons, unfehlbar jedes noch so seltene Glühlämpchen, Steckerchen, Schalterchen, Batteriechen binnen Sekunden hervorzaubert, und selbstverständlich ist es stets das einzig richtige, taugliche Teil, dessen korrekte Anwendung er dem Kunden hierauf mit liebenswürdiger Beredsamkeit erläutert, nicht ohne vor möglichen, immer wieder beobachteten Fehlhandhabungen zu warnen. Schliesslich noch ein bisschen Rabatt zu gewähren und alles in allem den Bewohnern des Quartiers die keineswegs selbstverständliche Gewissheit zu geben, was immer sie zur Elektrifizierung ihres Haushalts benötigen, hier jederzeit aus wiewohl staubiger, so doch lauterster Quelle und mit der Gewähr fachmännischer Beratung erstehen zu können.

Trotzdem habe ich gestern in einer Bar wieder mit anhören müssen, wie irgendein Schafskopf einer frisch zugewanderten Finnin erklärte, dieses einst so wunderbare, von Leben strotzende Barrio habe seinen Charakter vollkommen eingebüsst und sei heute so gut wie unbewohnbar.

Einen andern Elektromeister im Barrio, nicht ganz so tüchtig zwar, entdeckte ich neulich noch spät abends hinter seinen Geschäftsbüchern.

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