ceci n'est pas une blague
Markus Jakob
Manolo und die Hochgeschwindigkeit

Manolo ist ein Schrank von einem Menschen. So einer kann etwas vertragen, und er giesst die Knockandos denn auch serienweise und in Höchstgeschwindigkeit in sich hinein. Wenn er nicht gerade in einer G & T-Phase ist: dann heisst das Gift Bombay. Ich treffe Manolo fast täglich in der Bar Mudanzas, wo er sein Hauptquartier aufgeschlagen hat und auf seinen Einsatz wartet. Er ist nämlich ausserdem Stationschef der Estación de Francia. Gelegentlich klingelt sein Telephon, dann tritt er auf die Gasse hinaus und man sieht ihn dort gestikulierend, als dirigiere er direkt die Züge, in das in seiner Pranke winzig anmutende Handy reden. Manchmal zieht er ein Blatt Papier mit allerlei hingekritzelten Formeln und Diagrammen – die Weichenstellungen? – hervor, dann zieht er sich wieder auf seinen Hocker zurück, es sei denn, er trolle sich mit verdrossener Miene Richtung Bahnhof.

Die Estación de Francia, Baujahr 1929, ist ein Prachtexemplar der Eisenbaukunst. Als Bahnhof hat sie ihre Bedeutung allerdings weitgehend eingebüsst. Seit der 1992 abgeschlossenen Renovation verkehren hier nur noch wenige Züge, dafür wird sie jetzt für Events wie den Salón del Comic genutzt. 2007 soll endlich die Hochgeschwindigkeitsstrecke Madrid-Barcelona fertiggestellt und umgehend bis zur französischen Grenze verlängert werden. Das metropolitane Streckennetz wird auf zwei 7,3 Kilometer voneinander entfernte Pole konzentriert: die Bahnhöfe Sants und Sagrera, letzterer noch im Projektstadium. Der lineare Strang aus teils schon bestehenden, teils noch zu bauenden Tunneln, der sie verbindet, lässt den französischen Bahnhof im Abseits. Eines nicht zu fernen Tages wird der letzte Zug hier abfahren.

Zurzeit aber – eben weil die grässliche Estación de Sants nun für die Ankunft der Hochgeschwindigkeitszüge umgerüstet (und dabei hoffentlich etwas weniger unwirtlich gestaltet) wird – erlebt die Estación de Francia ihre zweifellos letzte Blüte. Die drei internationalen Nachtzüge nach Mailand, Zürich und Paris fahren nämlich seit einigen Wochen wieder hier ab, unter den wunderbar gekurvten Eisen- und Glasgewölben. Mein Saufkumpan Manolo ist gefordert. Ich garantiere in seinem Namen für sachgerechte Weichenstellung.

Hier noch der bildliche Nachweis für die Existenz des ferroviario – so heissen Eisenbahner auf spanisch – Manolo.

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